Den ständig steigenden Haftungsrisiken und der Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme sowie der Haftung mit dem Privatvermögen sollten Aufsichtsräte mit bestmöglichem Directors-and-Officers-Versicherungsschutz (D&O-Versicherungsschutz) begegnen.
In diesem Beitrag beleuchten wir für Sie die Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder anhand eines medienwirksamen Falls und erläutern, wie Sie sich optimal schützen können.
I. Haftungsbeispiel
Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 6. April 2022, 8 U 73/12) hat sechs frühere Mitglieder des Aufsichtsrats des 2009 insolvent gegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor verurteilt, an den Insolvenzverwalter insgesamt rund 53,6 Millionen Euro Schadensersatz zu zahlen. Aufgrund der langen Prozessdauer kommen noch die gesetzlich ab Klageerhebung zu zahlenden Prozesszinsen in Höhe von knapp 28 Millionen Euro hinzu, sodass der gesamte erstrittene Betrag bei etwa 81,5 Millionen Euro liegt.
Der Insolvenzverwalter machte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit früheren Verkäufen und anschließender Rückanmietung von Warenhäusern geltend. Die Häuser sollen vom Vorstand deutlich unter Marktwert an einen Fonds verkauft und zu überhöhten Konditionen wieder angemietet worden sein. Dabei hätten die Aufsichtsratsmitglieder die Vorstandsmitglieder überwachen und rechtzeitig gegen den Vorstand vorgehen müssen. Zu den Amtspflichten des Aufsichtsrats gehöre die Überwachung des Vorstands und ggf. die Verfolgung von Pflichtverstößen einschließlich der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche. Aufsichtsratsmitglieder haften bei unterlassener Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand und wenn sie realisierbare Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder verjähren lassen.
Nach den Feststellungen des Gerichts hatte die erforderliche Abwägung zwischen den Vorteilen der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche und den damit verbundenen Nachteilen nicht im gebotenen Umfang stattgefunden. Die Ansprüche wären aufgrund des D&O-Versicherungsschutzes und des Privatvermögens der früheren Vorstandsmitglieder auch durchsetzbar gewesen.
Konkret wurde das Verschulden der Aufsichtsratsmitglieder damit begründet, dass sie ohne hinreichende Prüfung und ohne geeigneten Expertenrat fälschlicherweise von einer geringen Realisierbarkeit der Ansprüche gegen die Vorstandsmitglieder ausgegangen waren. Die Aufsichtsratsmitglieder schätzten die Realisierbarkeit von Schadensersatzansprüchen nach Auffassung des Gerichts deutlich zu negativ ein.
II. Versicherungslösungen
(1) Separate D&O-Versicherung für Aufsichtsräte
Optimalen D&O-Versicherungsschutz für Aufsichtsratsmitglieder bietet eine separate Aufsichtsrats-D&O-Versicherung, welche das Unternehmen nur für die Aufsichtsräte abschließt. Mit einem eigenen D&O-Schutzschirm für den Aufsichtsrat wird eine erhebliche Verbesserung der Rechtsposition sowohl der Vorstands- als auch der Aufsichtsratsmitglieder erreicht. Aufsichtsräte werden vielfach erst nach den Vorständen zur Rechenschaft gezogen, meistens mit der Begründung, dass sie von der Pflichtverletzung der Manager wussten, aber nichts dagegen unternahmen. Wenn dann die D&O-Versicherungssumme schon durch die Ansprüche gegen Vorstände erschöpft ist, droht der Zugriff auf das Privatvermögen der Aufsichtsräte. Sicherer sind jeweils getrennte Policen für Vorstand und Aufsichtsrat.
Besondere Aufmerksamkeit im D&O-Versicherungsmarkt hat die sog. Two Tier Trigger Policy gefunden. Sie stellt der herkömmlichen D&O-Globalpolice des Unternehmens für sämtliche Organwalter (Vorstand + Aufsichtsrat) eine separate D&O-Police nur für den Aufsichtsrat zur Seite, die wiederum bei einem anderen Versicherer gezeichnet wird. Diese Deckung greift bei ansonsten mit der Globalpolice identischem Wording (sog. Full Following Form) in bestimmten Fällen (Triggern) ein. Die wichtigsten Trigger sind alternativ:
- Erschöpfung der Versicherungssumme aus der Globalpolice;
- Streitverkündung durch Vorstandsmitglieder.
Versicherte Personen sind ehemalige, gegenwärtige und zukünftige Mitglieder der Aufsichtsgremien der Versicherungsnehmerin, ihrer Tochtergesellschaften und der mitversicherten Unternehmen gemäß der Unternehmens-D&O-Police (insbesondere Aufsichtsräte, Verwaltungsräte, Beiräte) in deren Tätigkeiten als Mitglieder der Aufsichtsgremien. Vom Deckungsschutz umfasst ist auch der vorläufige Rechtsschutz zum Beitritt und die Aktivkosten: Der Versicherer trägt auch diejenigen angemessenen Kosten, die nach Streitverkündung oder entsprechender Absichtserklärung im Zusammenhang mit Beratungen zur Frage des Beitritts entstehen. In Ergänzung zu den Versicherungsbedingungen der Unternehmens-D&O-Police(n) trägt der Versicherer auch diejenigen Kosten, die durch einen Beitritt versicherter Personen auf Klägerseite entstehen.
Die Gründe für das Deckungskonzept sind einleuchtend:
(a) Da dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung obliegt, kann theoretisch jeder Fehler, der der Geschäftsleitung unterläuft, in einen Fehler des Aufsichtsrats umgemünzt werden, nach dem Motto: Wäre der Aufsichtsrat seiner Überwachungsverantwortung gerecht geworden, wäre es zu diesem Fehler gar nicht gekommen. Wenn nachträglich ein Fehlverhalten des Managements festgestellt wird, wird auch insoweit vom Kontrollorgan heute von der Rechtsprechung ein anderes Vorgehen erwartet als früher. Während lange Jahre die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand aufgrund persönlicher Loyalitätsbindungen unterblieb, sind sich heute Aufsichtsräte des Damoklesschwerts eigener Haftung bewusst. Wenn Aufsichtsräte das Fehlverhalten des Managements nicht nachhaltig aufklären, drohen ihnen selbst Schadensersatzansprüche der Gesellschaft.
(b) Die Leistungsfähigkeit der D&O-Versicherung wird durch die Verteilung unzureichender Versicherungssummen auf die Probe gestellt, bei der insbesondere Aufsichtsräte bisweilen leer auszugehen drohen.
(c) Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ wird einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats oftmals bereits im Zeitpunkt der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen angedroht, man werde sie in den Prozess hineinziehen und ihnen sofort wegen „Mitwisserschaft“ und „Mitverantwortung“ den Streit verkünden, sollte es zur Klageerhebung kommen. Hierdurch wird die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats bereits im Rahmen der außergerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs in Frage gestellt. Durch eine Streitverkündung wird der Aufsichtsrat sprichwörtlich vom Jäger zum Gejagten. Die D&O-Versicherung stellt sich dann als Mogelpackung für den Aufsichtsrat dar. Zwar löst die Streitverkündung auch in der herkömmlichen D&O-Unternehmenspolice, unter der Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam versichert sind, den Versicherungsfall aus. Dem zentralen Vorwurf der Streitverkündungsschrift, wonach der Aufsichtsrat über die schadensverursachenden Maßnahmen zutreffend und vollständig informiert worden sei und diese im vollen Umfang gebilligt habe, wird das streitverkündete Aufsichtsratsmitglied in aller Regel entschieden entgegentreten wollen. Geeignetes Mittel hierzu ist wohl nur der Streitbeitritt auf Seiten des klagenden Unternehmens. Die D&O-Versicherer verweigern den Versicherungsschutz mit der schlichten Begründung, der Beitritt auf Seiten der Klägerin sei keine Abwehrmaßnahme, weswegen dafür nach den Versicherungsbedingungen auch keine Kostendeckung gewährt werden könne. Im Ergebnis müssen streitverkündete Aufsichtsratsmitglieder ihre Anwälte dann aus der Privatschatulle zahlen.
(d) Separate Policen (mit separaten Deckungssummen) empfehlen sich aus Gründen guter Corporate Governance, um insbesondere die notwendige Trennung und Unabhängigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat (gerade bei der Verfolgung von Ersatzansprüchen) sicherzustellen.
(2) Persönliche D&O-Versicherung
Neben der gesellschaftsfinanzierten separaten Aufsichtsrats-D&O-Versicherung finden zunehmend persönliche D&O-Versicherungen Verbreitung. Diese bieten dem Aufsichtsratsmitglied individuellen Schutz und werden vom Aufsichtsratsmitglied selbst auf eigene Rechnung abgeschlossen. Am ehesten verständlich wird der persönliche Schutzschirm mit Verbrauch der D&O-Deckungssumme der Unternehmens-D&O-Police. Wenn die Deckungssumme der Unternehmens-D&O-Police ausgeschöpft ist, werden Versicherer ein Verteilungsverfahren einleiten. Dann muss das einzelne Aufsichtsratsmitglied befürchten, dass selbst für Abwehrkosten nur partiell entschädigt werden kann. Im D&O-Schadensfall sind schon allein die Abwehrkosten sehr hoch. Ein weiteres Argument für eine persönliche Police sind etwaige Deckungsausschlüsse in der Unternehmens-D&O-Police. Abhängig von Branchen und Unternehmensgrößen werden zunehmend Deckungsausschlüsse in die D&O-Policen genommen. Größte Verbreitung findet die Zurückhaltung der Versicherer bei Schadensersatzansprüchen aus Korruptions- und Kartellverfahren. Insbesondere bei schadenbelasteten Policen ist der Verhandlungsweg mit dem Versicherer fast abgeschnitten. Persönliche D&O-Policen sind insoweit in der Regel ohne Ausschlüsse.
III. Fazit und Handlungsempfehlung
Optimalen D&O-Versicherungsschutz für Aufsichtsratsmitglieder bietet eine separate Aufsichtsrats-D&O-Versicherung, welche das Unternehmen nur für die Aufsichtsräte abschließt. Individuellen Schutz gewährleistet eine persönliche D&O-Versicherung, welche ein Aufsichtsratsmitglied selbst abschließen kann.
Ein in der juristischen Ausgestaltung von D&O-Policen erfahrener Rechtsanwalt kann Fallstricke vermeiden und ein optimales Deckungskonzept für den individuellen Einzelfall entwerfen. Nach den Vorgaben der anwaltlichen Empfehlung sollte ein unabhängiger Versicherungsmakler für die Platzierung eines bestmöglichen Versicherungsschutzes zu Rate gezogen werden.